Sammlung Ploner

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SAMMLUNG
AUSSTELLUNGEN
2009_Brandl Kowanz Pumhösl Zitko
2007 Markus Huemer
2006 Bohatsch-Schiess
2005 Michaux-Weiler-Scheibl
2004 Herbert Brandl
2003 Gunter Damisch
PUBLIKATIONEN
IMPRESSUM
Begegnungen. Henri Michaux-Max Weiler-Hubert Scheibl
1. Juni 2005 bis 16. September 2005

  Begegnungen nennt sich dritte Ausstellung der Sammlung Ploner. Sie vereint in erster Linier graphisch akzentuierte Werke von drei Künstlern, die verschiede­nen Generationen angehören:  Henri Michaux (1899 – 1984) sowie Max Weiler (1910 – 2001) und Hubert Scheibl (geb. 1952). Max Weiler steht nicht nur von den Lebensdaten her in der Mitte zwischen den beiden anderen, er stellt auch so etwas wie ein Bindeglied dar. Er hatte 1960 zugleich mit Henri Michaux auf der Biennale in Venedig ausge­stellt und war Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste und dadurch zeitweiliger Lehrer von Hubert Scheibl. Die Konzeption der Ausstellung nimmt diese „Begegnungen“ auf, sie geht davon aus, dass zwischen den Arbeiten der drei Künstler kunstgeschichtliche Parallelen gegeben sind, dass sowohl seelische Verwandtschaften, als auch Unterschiede bestehen.

Die Ausstellung ist so gegliedert, dass im Eingangsraum im Parterre zwei großformatige Zeichnungen von Max Weiler drei großformatigen Bildern  von Hubert Scheibl gegenübergestellt sind. Während die Bilder von Scheibl alle aus dem Jahr 2004 stammen, sind die Zeichnungen von Max Weiler 1979 und 1980 datiert, markieren also die Zeit, in der Scheibl zu den Schülern Max Weilers gehörte.  In den drei Räumen des Obergeschosses findet man Arbeiten von Henri Michaux, deren Entstehungszeitraum mehr als drei Jahrzehnte umfassen: frühe Tuschen von 1951, Aquarelle von  1970, kleinformatige Ölbilder aus den letzten Lebensjahren 1983 und 1984. Ihnen begegnen Zeichnungen und Zeichnungen mit Collagen von Max Weiler, die alle vor seinen großformatigen zeichnerischen Arbeiten im Erdgeschoss entstanden sind: Collagen von 1957, die bisher noch nie gezeigt wurden, sowie Tuschpinsel-Zeichnungen von 1962 und aus den Jahren 1965 bis 1967. 

Vergleicht man die Zeichnungen von Henri Michaux und Max Weiler, so sticht eine Gemeinsamkeit ins Auge, die Michaux und Weiler verbindet und gleich­zeitig von vielen anderen Zeichnern  trennt. Ihr Spätwerk ist geprägt von einer Absage an die Linie. Das Aufbrechen des Strichs, der keine kontinuierlich verlaufende, eindeutig den Umriss von Figuren charakterisierende Linie mehr produzieren möchte, ist ein Aufbrechen im doppelten Wortsinn. Einmal das Aufbrechen von etwas als selbstverständlich Vorausgesetztem, an das nicht mehr geglaubt wird, zum anderen der Aufbruch in Neuland, in eine terra incognita, die es zu erkunden und zu durchdringen gilt. Der Verzicht auf die Linie erscheint bei Weiler wie bei Michaux als Konse­quenz der Einsicht in den Verlust von Sicherheit und Gewißheit, der Einsicht, daß es in dieser Welt Sicherheit und Gewißheit – jedenfalls in dem vertrauten Sinn – nicht geben kann. Beide, Michaux wie Weiler, wollten in ihrer reifen Kunst keine Gewiß­heiten verkünden.  Der gravierendste Unterschied zwischen Henri Michaux und Max Weiler liegt in ihrem differierenden Verständnis von Geschwindigkeit. Die Arbeiten von Michaux, insbesondere seine Tuschmalereien, werden von der Idee der Beschleuni­gung geprägt, die Werke Weilers hingegen sind zwar ebenfalls durch die Vorstellung einer allumfassenden Bewegung bestimmt, aber diese scheint sich äußerst langsam, im Rhythmus der Erdzeitalter zu vollziehen.            

Was die Spannung und die Gleichwertigkeit der künstlerischen Mittel betrifft - es bedeutet keinen Widerspruch zur behaupteten Gleichrangigkeit der künstlerischen Mittel im Werk Weilers, wenn man beobachtet, dass bei ihm die Zeichnung in der Regel einer malerischen Entwicklung vorangeht, sich immer wieder als die im Formalen treibende Kraft erweist - lassen sich die ersten Ähnlichkeiten zu Hubert Scheibl erkennen.In seinen früheren Arbeiten kennt man von ihm – meist an der Grenze zur Monochromie siedelnde – Bildreihen, die nur aus der Farbe leben und in denen das Graphische überhaupt keine Rolle spielt. Später tritt es auf einmal als bestim­mendes Element auf und proklamiert seine Dominanz.Was uns die Bilder von Hubert Scheibl zuerst vermitteln, ist der Eindruck von Abwesenheit. Es läßt sich jedoch nicht genau bestimmen, was nicht mehr da ist. Etwas ist verschwunden, verloren, untergegangen. Geblieben ist eine ungenaue Erinnerung, das etwas da war, sind undeutliche, verwischte Spuren. Vielleicht ist dies eine Beschreibung, die noch am ehesten trifft: Hubert Scheibls Bilder zeigen uns die Fülle der Leere.


Bei aller äußeren Verwandtschaft der großformatigen zeichnerischen Blätter und Bilder von Hubert Scheibl und Max Weiler verbindet sie dennoch nur wenig. Sie entstammen einem ganz unterschiedlichen Lebensgefühl. Je mehr man den einen mit dem anderen vergleicht, desto mehr fällt die Divergenz ins Auge. Weilers Blätter und Bilder sind von einem Urvertrauen in die Natur geprägt. Hubert Scheibls Arbeiten dagegen können die Weltskepsis ihres Autors nie ganz verleugnen. Weilers Glauben vermag er nicht mehr zu teilen. Darin kommt auch das Faktum zum Ausdruck, dass beide Künstler verschiedenen Generationen angehören. Scheibl ist mehr als vierzig Jahre jünger als Weiler.

Wieland Schmid, Kunsthistoriker und Autor, Wien